Donnerstag, 3. August 2017

Fort Rapp-Moltke sollte Straßburg schützen

"Da hatte der Soldat noch einmal Glück", sagte der Tour Guide und hielt uns das Fragment eines Patronengürtels unter die Nase. In einer der großen Patronen steckte quer ein kleineres Projektil. Der Gürtel hatte dem Soldaten das Leben gerettet. Obwohl wir auf französischem Territorium waren, sprach er fließend Deutsch. Der ehemalige Hauptmann der Bundeswehr stammte aus Bremen und hatte seine letzte Verwendung im diplomatischen Dienst. Seine Frau kommt aus Frankreich.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - Schutz durch Patronengürtel
In einem kleinen Infocenter sahen wir zunächst eine Präsentation über die deutsch-französischen Konflikte des späten 19. Jahrhunderts an und konnten viele der historischen Exponate in die Hand nehmen. Interessant waren auch die preußischen Pickelhauben, deren divergent geformte Pickel die Waffengattung symbolisierten und die Säbelhiebe der Kavallerie vom Kopf ablenkten.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - Test einer Pickelhaube
Der plüschige Jagdhund des nach Frankreich ausgewanderten Bremers schnüffelte mit uns durch die Vitrinen und blieb auch im weiteren Verlauf dabei. Zusammen überquerten wir den Festungsgraben zwischen der äußeren Mauer und dem eigentlichen Kampf- und Wohnkomplex.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - Festungsgraben - links der Eingang zum Hauptkomplex
Der gepflasterte Weg führte nicht direkt auf das Tor zu, sondern in einem Halbkreis. Das Gittertor konnte schnell geschlossen und sicher arretiert werden. Dahinter befand sich eine große Holzplatte, die im Bedarfsfalle als weitere Tür nach oben gezogen werden konnte. Physikalisch ausgeklügelt hätte sie auch von einem Kleinkind bewegt werden können. Die Angreifer wären nach Überwindung der Gitterpforte in ein großes Loch gefallen und von oben beschossen worden.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - Eingangsbereich mit Gittertor und weiteren Türen
Diese Befestigungsanlagen waren standardisiert. Um Straßburg herum wurden nach 1870 insgesamt 14 solcher Fortifikationen gebaut, um die Stadt nachhaltig zu schützen. Je nach geplanter Truppenstärke konnten die rechts und links neben dem Eingang befindlichen Mannschaftsräume ergänzt oder reduziert werden. Der Rest der Anlage war immer gleich. Somit konnten Soldaten schnell in andere Forts verlegt werden und kannten sich sofort aus. Küche, Toiletten, Arzt und Munitionsräume waren immer an der gleichen Stelle.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - Gewölbe
Beim Bau der Anlage wurde zuerst eine Grube ausgehoben. In dieser Grube wurden die standardisierten Teile errichtet und anschließend die ausgehobene Erde draufgeschüttet. Bauzeit: 2 Jahre. Das Gebilde war sehr stabil und wurde von italienischen Baumeistern zusammengesetzt. Diese waren zu jener Zeit sehr begehrt, konnten aber in den Forts um Straßburg mit Münzen abgespeist werden, die nur innerhalb der Dienststelle zum Einkaufen nutzbar waren. Die Anordnung der Steine und Schlusssteine in den verschachtelten Gewölben war faszinierend.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - Innenbereich
Wir stiefelten durch die spärlich beleuchteten Gänge, schauten in die Mannschaftszimmer, begutachteten alte Glasspritzen, schauten in die riesigen Kochtöpfe und versuchten die Schilder auf den Gewürzen zu übersetzen. Wir stiegen in den engen Beobachtungsturm, kurbelten Munitionskisten nach oben, hatten pelzige Spinnweben im Gesicht, schrammten den Rücken am Einschussloch einer Schnecke (mobiler Bunker für bis zu drei Soldaten) auf und beobachteten die Ziegen, die als Bio-Rasenmäher fungierten.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - Ziegen auf dem Gelände
Pulver und Geschosse wurden immer separat gelagert und erst im Einsatzfall zusammengebracht. Alles war bis ins Detail durchdacht. Einfache physikalische Gesetze wie Gewicht und Gegengewicht oder Druck und Gegendruck kamen zum Einsatz und ließen uns über die ausgereifte Cleverness der Uropa-Generation staunen. Massive Metallplatten dämpften die Druckwellen großer Geschosse - selbst auf den kollektiven Plumpsklos.

Selbst die Umgebung wurde genau analysiert und eventuelle Schlupflöcher für Angreifer entdeckt. Diese Unebenheiten wurden mit Boden ausgefüllt, so dass die Umgebung plan vor den Augen des Kanonen-Justierers lag. Die deutschen Kanonen hatten mit 8 Kilometern etwa die doppelte Reichweite der französischen Geschütze. Dafür hatten die Franzosen die ausgereifteren Gewehre.

Fort Rapp-Moltke Straßburg
Fort Rapp-Moltke bei Straßburg - drehbarer Beobachtungsturm und drehbares Geschütz von Krupp
Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich die Technik der Artillerie jedoch so weit, dass die Forts um Straßburg nur noch eine historische und theoretische Größe darstellten. Einige dieser Festungen wurden inzwischen gesprengt, andere dienen als Schießstand oder Museum.

Fort Rapp-Moltke wird auch gerne als Party-Location genutzt. Dazu dient einer der Bunker im äußeren Festungskomplex. Der rustikale Charme kann wohl auch von Otto Normalbürger für Hochzeiten und ähnliches gemietet werden. Fort Rapp-Moltke ist heute im Besitz eines Fördervereins, der einen homöopathischen Eintrittspreis verlangt und liebevoll per Ehrenamt die Anlage pflegt.

Autor: Matthias Baumann